OPPOSITES AND COUNTERPARTS
14. März – 01. Mai 2008
Galerie Eva Winkeler Frankfurt

„Etwas ist also lebendig, nur insofern es den Widerspruch in sich enthält, und zwar diese Kraft ist, den Widerspruch in sich zu fassen und auszuhalten.“ (G.W.F. Hegel, L II 76)

„Spekulativ denken heisst ein Wirkliches auflösen und dieses in sich so entgegensetzen, dass die Unterschiede nach Denkbestimmungen entgegengesetzt sind und der Gegenstand als Einheit beider aufgefasst wird.“ (G.W.F. Hegel, Rel I 30)



In einer Reihe von Steinen, gefunden und zueinander gelegt, materialisiert sich eine Linie. Sie läuft durch jeden Stein hindurch, entschwindet im Zwischenraum, um sich im nächsten Stein wieder zu konkretisieren. Ein Sprung zwischen zweiter und dritter Dimension, in dem Zeichnung und Objekt in eins fallen, ohne ihren inneren Widerspruch aufzugeben.
Dagmar Heppner überwindet in ihrer Ausstellung Opposites and Counterparts mit diskretem Charme Gattungs- und Raumgrenzen. Hegels Gedanke, den Dingen selbst sei ein grundsätzlicher Widerspruch zu eigen, rückt zum Greifen nahe. Natürlich nur, um sich kurz davor ins Reich des Unfassbaren zu entziehen. Materie verflüchtigt sich, Gedanken nehmen Gestalt an, das Ding an sich ist reine Erscheinung, in der ruhenden Masse selbst liegt die Dynamik und umgekehrt. Zwischen arrangierten Readymades, dezenten Interventionen und massiven Objekten zieht sich eine unsichtbare Linie durch den Galerieraum, die alles lose, aber stringent miteinander verbindet.
Diese Linie führt unter anderem zum unglaublichen Geschehen am Stonebeach. Angewandte Magie, taghelle Paranormalität, fern ab funkelnder Zauberbühnen und schummriger Seance-Kabinette. Der Gegensatz von Mysterium und Banalität ist aufgehoben, die Schwerkraft ebenso. Ein Sonnenbad, ohne dass die Rundungen der Steine sich in die eigenen Rundungen einprägen. Es kommt Freude auf: Physikalische Gesetze, Raum und Grund, einfach lächelnd unter sich lassen.
Oder eins werden mit der Wand und eine kaum sichtbare Öffnung darin bilden. Ein feiner Scherenschnitt im Rosendekor, eine klitzekleine Verschiebung, et voilà, ein beispielhafter Fall von Präsenz durch Absenz. Eine Person, nur durch ihr Fehlen charakterisiert. Eine Figur, nur durch den Grund definiert. Bild und Abbild, Linie und Fläche. Und im Verbergen alles entblössen. Oder andersherum.
Grenzerfahrung via Transparenz, schon gleich zu Beginn, kaum eingetreten. Der Lack an der Wand, der Licht und Blick gedämpft zurückwirft. Eine sanft schimmernde Spiegelung und zugleich eine Schicht schonungsloser Durchsicht, in der sich die kaum vernarbte Geschichte des White Cubes offenbart.
Links und rechts, die Ecken des Galerieraumes aussparend aufgreifend, stehen Dinge, die schwer aussehen. Raumteil, Möbel, Objekt, Sockel, auf anderes verweisend und sich selbst genug, eingepasst und eigenständig, funktional und rein ästhetisch, ein bisschen von allem und nichts davon ganz. Auf einem liegt ein Stein mit Strich, der keiner ist.

Nina Jaenisch


Zitiert nach Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Werke in 20 Bänden, Eva Moldenhauer und Karl M. Michel, Frankfurt a. M. 1969–1971, Bd. 6 (L II, Wissenschaft der Logik II) und 16 (Rel I, Vorlesungen über die Philosophie der Religion I).